Rezepte

George Tenner ist nicht nur ein Schriftsteller, er kocht auch leidenschaftlich gern. Diese Vorliebe läßt er immer wieder gern in seine Romane einfließen.

Wir haben uns auf eine kulinarische Reise durch seine Bücher begeben und möchten Ihnen mit folgenden Textpassagen den Mund wässrig machen.

Viel Spaß beim Lesen und Nachkochen !


Jagd auf den Inselmörder

„Filet in der Salzkruste an frischem Spargel und Spätzle!“ Lasse Larsson grinste siegesssicher, wie ein Lausejunge, der erfolgreich einen Streich durchgezogen hatte.
„Und das kannst du?“ fragte Andresen pikiert. Er dachte an seine eigenen Kochkünste, von denen seine Frau behauptete, sie seien gar nicht existent. Vielmehr sei er prädestiniert, selbst das Wasser anbrennen zu lassen.
Larsson nahm ein Blech aus dem Ofen, legte die übrigen Pfannen, die in der Röhre waren, quer so vor das Fenster, dass sie bei der Benutzung des Rohrs und beim hantieren in der Küche nicht im Wege waren. Dann nahm er eine Schüssel und ein Gefäß, in dem er eine spezielle Sauce vorbereiten würde. Er trennte vier Eier. In das Weiß rührte er die vier Packungen Salz ein. Dann bereitete er auf dem Blech ein Bett von ungefähr einem Zentimeter Dicke von der Größe eines Schreibmaschinenblattes, darauf legte er geschickt Speckscheiben.
„Unser EHK kann halt doch mehr, als Gewaltverbrecher jagen“, stellte Inge Mohaupt genüßlich fest und erntete von Andresen einen tadelnden Blick.
„Was haltet ihr von Frank Schmidt?“ fragte Larsson. „Zuerst du, Karl!“
„Ich war doch nicht dabei!“ protestierte Simons.
„Richtig. Aber immerhin habt ihr euch gestern zusammentelefoniert und auch für heute verabredet. Ich habe also erwartet, dass du Inge nach dem Ergebnis gefragt hast.“
Larsson wusch die beiden Filets unter kaltem Wasser und trocknete sie sorgfältig ab. Dann briet er sie in einer der Pfannen unter starker Hitze kurz an, damit sich die Poren des Fleisches verschlossen.
Larsson würzte die Filets mit Salz und Pfeffer, legte sie auf das Salz-Speck-Bett, holte eine Packung Petersilie und eine Packung Basilikum gab aus jeder Packung etwa die Hälfte auf das Fleisch. Dann deckte er alles mit den restlichen Speckscheiben zu, sodass nichts mehr von Fleisch zu sehen war.
...während Larsson den Spargel schälte, in gleiche Prortionen aufteilte, die er mit dem weißem Zwirn zusammenband, den er in einem übrig gebliebenen Nähkästchen gefunden hatte
Er bedeckte die mit Speck eingedeckten Filets mit einer Schicht des Ei-Salz-Gemischs und schob das Blech in den auf zweihundertundzwanzig Grad vorgeheizten Ofen.
„Wir nehmen jetzt die Eigelbe.“ Larsson würzte mit etwas Zucker, Salz und Pfeffer. Dann nahm er einen Schneebesen und eine Flasche kalt gepresstes Öl. Während er die Eigelbe vorsichtig aufschlug, goss er langsam Öl dazu, sodass eine Mayonnaise entstand.
„Seht ihr, was für eine herrliche Sauce wir kriegen!“ triumphierte Larsson.
„Zugegeben, es ist eine gut aussehende Mayonnaise!“ protestierte Inge Mohaupt.
„Noch!“ Larsson nahm eine Flasche weißen Balsamico und schlug ein wenig davon unter die Masse. Nachdem er seine Kreation abgeschmeckt hatte, nahm er drei Untertassen aus dem Schrank und gab jeweils einen Esslöffel von der Sauce darauf.
„Kostet!“ forderte Larsson, siegessicher grinsend.
Inge Mohaupt war die Erste, die das gerade geschaffenen Produkt kostete.
„Mmmmm. Damit hast du wirklich ein begeistertes Publikum .“ Sie verdrehte die Augen, als wäre sie ein Gast in Bioleks Kochstudio.
Und Andresen lobte: „Mit der Kochkunst kannst du gegen jede Frau antreten!“
„Schaffst du es, mir das beizubringen?“ fragte Simons. „Damit könnte ich dann jede Frau becircen!“
Larsson verminderte die Hitze des Ofens auf einhundertachtzig Grad.
„Inge hat recht“, sagte er. „Für mich leidet der Junge auch an einer Persönlichkeitsspaltung. Dieses hysterische Lachen deutet darauf hin. Auch dieses genüssliche, fast triumphale Rechtfertigen der Tat, obwohl er wissen müsste, dass er sich um Kopf und Kragen redet, deutet darauf hin.“
„Er hat laut mit der Toten gesprochen“, wand Inge Mohaupt ein.
Larsson goss die Spätzle ab, gab sie in eine leicht gebutterte Pfanne, damit sie nicht zusammenklebten und erhitzte diese, um die Restfeuchtigkeit der Teigware weitgehend zu verdampfen. Dabei schwenkte er sie, damit sie nicht anbrannten.Larsson schaute zur Uhr und stellte den Ofen ab.
„Wir lassen es noch fünf Minuten nachziehen. Dann befreien wir das Filet von seiner Hülle.“ sagte er.
Er stellte die Platte, auf der die Spätzle auf ihren Verzehr warteten, ab. Dann zog er das Blech mit den Filets in der Salzkruste aus dem Ofen.
„Karl, du kannst uns bitte eine Flasche Chardonnay öffnen.“ sagte Larsson.
Als er anfing, mit dem Fleischklopfer die Salzkruste zu zertrümmern, standen sie um ihn herum. Vorsichtig schob er erst die durch die Hitze festgewordenen Salzschollen, beiseite, dann hob er erst das eine, dann das zweite Filet heraus, befreite sie von den Speckscheiben, die er zusammen mit dem Restsalz in den Abfalleimer beförderte.
„Warum schmeißt du den Speck weg?“ ließ Simons sich vernehmen.
„Er ist nur dazu da, das Fleisch vor dem Austrocknen zu bewahren; die Trennschicht zwischen Filet und Salz ist notwendig, Karl, damit du kein versalzenes Fleisch essen musst.“


Der Drachen des Todes

Auf dem Weg besorgte Larsson bei zwei Lebensmittelmärkten eine Packung Sauerkraut aus dem Fass. Es kam aus dem Spreewald. Darüber hinaus kaufte er tiefgekühlten Fisch. Er entschied sich für Zander aus einem der Boddenfanggebiete und schwarzen Heilbutt aus der Tiefsee. Larsson suchte noch französische Kartoffeln. Die waren garantiert festkochend. Er achtete darauf, möglichst kleinwüchsige zu bekommen. Aus der Kühlung nahm er noch klein gewürfelten Nussschinken. Zum Schluss legte er noch eine Flasche Chardonnay in den Einkaufswagen.
„Heute koche ich“, sagte Larsson und zwinkerte sie lächelnd an. „Ich werde dir eines meiner Spezialrezepte zubereiten. Schon bei dem Gedanken läuft mir das Wasser im Munde zusammen.“
Die Tatsache, dass er exzellent kochte, war noch nicht bis zu ihr vorgedrungen. Und so fragte sie skeptisch, ob er sich nicht einen sinnvolleren Zeitvertreib vorstellen könne.
Doch Larsson setzte sich durch. Er wusch sich demonstrativ die Hände und ging in die Küche. Er nahm den Fisch aus der Verpackung, damit er antauen konnte. Dann stellte er die Kartoffeln auf.
Als sie sah, dass er die Kartoffeln nicht schälte, rümpfte sie die Nase. „Wollen wir die mit der Schale essen?“
„Sei so nett und lass mich in Ruhe arbeiten. Wenn es dir nachher nicht schmeckt, kannst du es immer noch kundtun.“
Larsson setzte das Sauerkraut auf und köchelte es zwanzig Minuten. Es war die Zeit, die die Kartoffeln brauchten, um weich zu werden. Er wusch die Fische, trocknete sie ab und würzte sie mit Pfeffer und Salz. Die Hautseite melierte er leicht. In der gusseisernen Pfanne briet er den Fisch langsam auf der Haut. Die Kartoffeln waren schnell gepellt und in einem kleinen Topf mit ein wenig Butter warm gestellt. Er goss die letzten Tropfen Wasser vom Kraut ab und zog das Drittel eines Stückes Butter darunter. Dann hob er vorsichtig die Schinkenwürfel unter das Kraut, das nun nicht mehr auf dem Feuer stand.
„Voilà, wir können anrichten!“
Larsson legte als Grundlage für den Fisch ein Bett aus Kraut auf jeden der beiden Teller, gab jeweils zwei kleine Butterschwenkartoffeln dazu. Mit der krossen Seite nach oben drapierte er das Kraut mit dem Dialog aus Heilbutt und Zander.
Monika hatte in der Zwischenzeit den Tisch gedeckt. Während sie misstrauisch beobachtete, wie jeder Handgriff Larssons bei der Zubereitung der Mahlzeit saß, sagte sie: „Mir scheint, du hättest das Zeug zu einem passablen Koch gehabt."


Das Lächeln der Mona Lisa

„Wir lassen das Frühstück ausfallen. Ich habe Fisch besorgt und mache italienische Spezialitäten.“ sagte Silvio Giacometti.
„Nur etwas ganz Leichtes“
„Lachs an gemuster Aubergine mit französischen Kartoffeln. Na, klingt das gut?“
„Ist der Lachs gebraten?“
„Si.“
„Ich möchte lieber einen gedünsteten Fisch mit ein wenig Reis.“
Silvio Giacometti dachte, was für ein verwöhntes Frauenzimmer das doch sei. Er hatte ein so wunderbares Rezept seiner Mama aus Neapel, das bisher bei jeder Frau eine gewisse Wirkung erzielt hatte. Und bei Gott, Cesira Pasini war eine so interessante Schönheit, dass er allzu gern das Rezept seiner Mutter zubereitet hätte.
„Einen leichten, gedünsteten Fisch?“
„Ja, bitte. Ich muss auf mein Gewicht achten.“
„Seehecht an einem Gurkengemüse. Wäre das in Ordnung?“
„Absolut.“
Giacometti ging in die offene Küche. Es würde ein sehr schnell zuzubereitendes Essen sein. In Gedanken stellte er sich vor, die Pasini während der Zeit ihres unfreiwilligen Aufenthaltes zu seiner Geliebten zu machen. Er setzte eine Tasse Langkornreis auf, dem er zwei Tassen Wasser und einen Löffel klare Gemüsebrühe zusetzte. Dann schälte er sorgfältig eine Gurke, schnitt sie in zwei Längstteile, höhlte mit einem Esslöffel die Kerne aus, die er wegwarf und schnitt die Gurkenhälften in fingerbreite Querstreifen. Er nahm einen beschichteten Topf, gab etwas geschmacksneutrales Rapsöl hinein und stellte die Platte an. Er gab die Gurkenstücke in den Topf, schmorte sie leicht an und goss etwas Weißwein auf. Während es köchelte, wusch er die Filets vom Seehecht trocknete sie ab, säuerte sie mit Zitrone, salzte und pfefferte sie. In der Zwischenzeit begann der Reis zu kochen. Er stellte die Platte auf klein.
„Wir können in zehn Minuten essen“, sagte Giacometti und strahlte Cesira Pasini erwartungsvoll an.
„Ich brauch nur sehr wenig.“
Giacometti begann, den Tisch zu decken, während die Pasini wieder interessiert einer Sendung zusah, die die RAI den beiden Komponisten Puccini und Verdi gewidmet hatte. Nach einem Zwischendialog präsentierte der Sender die Tebaldi als Desdemona.
Inzwischen war der Reis gequollen. Giacometti stellte die Platte ab und ließ den Reis nachziehen. Die Gurken hatten die richtige Konsistenz. Er würzte ebenfalls mit klarer Gemüsebrühe, Pfeffer und Salz und gab ein wenig frischen Dill dazu, den er hackte. Dann legte er die Fischfilets auf das Gemüse und deckte den Topf mit einem Glasdeckel ab. Er öffnete eine Flasche sizilianischen Weißwein, der gut gekühlt war.
„Du wirst eine Weile hier bleiben müssen“, sagte Giacometti, während er den Wein in die Kristallgläser goss.
„Es langweilt mich hier. Ich möchte nach Hause.“
„Der Don sagte, es sei zu gefährlich. Wir brauchen drei bis vier Wochen. Dann hat sich die Front beruhigt.“
„Ich fühle mich wie eine Gefangene. Nicht einmal in den Garten darf ich gehen ...“
„Man könnte dich sehen.“ Giacometti nahm seinen Mut zusammen und versuchte, ihren Rücken zu streicheln. „Wir können die Zeit verkürzen …“ Er versuchte, sie an sich zu ziehen.
„Leben Deine Eltern noch?“
„Mein Vater war Fischer. Meine Mutter hat Neapel nie verlassen. Ich hätte sie gern irgendwo auf dem Land untergebracht, etwas mit mehr Niveau. Aber sie wollte nicht. Warum fragst du?“
„Sie hängt sicher sehr an dir.“
„Ja.“
„Dann wird es ihr wehtun, hinter deinem Sarg herzulaufen!“
Giacometti ließ sie augenblicklich los.


(C) 2005 - Alle Rechte vorbehalten

Diese Seite drucken